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In München waren bereits 1962 entscheidende neue Impulse
zur Erforschung des albanischen Raumes gelegt worden. Durch
die Initiative Georg Stadtmüllers, damals Lehrstuhlinhabers
für Geschichte Osteuropas und Südosteuropas der
Ludwig-Maximilian-Universität München, wurden
mit einer Anschubfinanzierung der Fritz Thyssen Stiftung
sowohl eine interdisziplinären „Kommission für
die Geistesgeschichte des östlichen Europa“ wie
eine dem Lehrstuhl angegliederte Albanien-Abteilung eingerichtet.
Diese erhielt 1973 den bis heute beibehaltenen Rechtsstatus
eines eingetragenen gemeinnützigen Vereins. Das Ziel
sämtlicher Schritte lag darin, einen institutionellen
Rahmen zu schaffen für die Wiederbelebung der historisch-philologischen
und landeskundlichen albanologischen Forschungsrichtung
innerhalb der deutschsprachigen Balkanforschung, die im
19. und frühen 20. Jahrhundert durch namhafte Gelehrte
wie Johann Georg von Hahn, Gustav Meyer, Carl Patsch, Norbert
Jokl u. a. begründet worden war. Neben Stadtmüller,
der sich über die Herkunft der Albaner (Forschungen
zur albanischen Frühgeschichte. 2. Auflage Wiesbaden
1966) habilitierte, waren in den 1960er Jahren mit dem Slavisten
Alois Schmaus, den Osmanisten Franz Babinger und Hans-Joachim
Kissling sowie dem Geographen Herbert Louis (Albanien. Eine
Landeskunde vornehmlich auf Grund eigener Reisen. Stuttgart
1927) weitere engagierte Albanien-Forscher in München
vertreten. In der Folgezeit baute Georg Stadtmüller
die wohl umfangreichste Spezialbibliothek zur historischen
Albanienforschung in Westeuropa auf. Fragen der albanischen
Geschichte bildeten einen Schwerpunkt seines wissenschaftlichen
Interesses, was sich bei der Vergabe von Dissertationsthemen
und der Betreuung von wissenschaftlichen Arbeiten deutlich
zeigte. Seine Schüler erarbeiteten Biographien zu Reisenden,
Gelehrten und Diplomaten des 19. Jahrhunderts, die in engeren
Kontakt zu Albanien geraten waren. Diesem Schwerpunkt auch
durch entsprechende Veröffentlichungsmöglichkeiten
Rechnung zu tragen, dienten und dienen die noch von Stadtmüller
1964 begründeten „Albanischen Forschungen“
als eigene Publikationsreihe des Albanien-Instituts (bisher
23 Bände, zuletzt 2003).
Der erfolgreiche Aufbau des Albanien-Instituts war bereits
in den Anfängen mit Peter Bartl, einem Schüler
Georg Stadtmüllers, verbunden. Bartl, der später
Professor für osteuropäische und südosteuropäische
Geschichte in München wurde und bis 2005 die Leitung
des Albanien-Instituts übernahm, war von Beginn an
beim Aufbau der Fachbibliothek und Quellendokumentationen
entscheidend mitbeteiligt und leistete tatkräftige
Hilfe bei den Publikationsarbeiten. Auch als die Finanzierung
des Fritz Thyssen Stiftung auslief und daraufhin weit geringere
Finanzmittel zur Verfügung standen, konnten durch sein
Engagement die Institutsaktivitäten weitergeführt
werden. Über drei Jahrzehnte prägte er die historische
Albanienforschung national und international; hervorzuheben
sind hier seine Dissertation über die albanische Nationalbewegung
(Die albanischen Muslime zur Zeit der nationalen Unabhängigkeitsbewegung
1878-1912. Wiesbaden 1968), danach monographische Quelleneditionen,
vor allem aber seine Habilitationsschrift zur Türkenfrage
im 17. Jahrhundert (Der Westbalkan zwischen Spanischer Monarchie
und Osmanischen Reich. Zur Türkenkriegsproblematik
vom 16. zum 17. Jahrhundert. Wiesbaden 1974) sowie seine
maßgebliche Gesamtdarstellung der albanischen Geschichte
in deutscher Sprache (Albanien. Vom Mittelalter bis zur
Gegenwart. Regenburg 1995; erschienen auch in albanischen
Übersetzungen im Kosovo und in Albanien sowie in einer
serbischen Ausgabe in Belgrad).
Daneben hat er einschlägige Bibliotheks- und Archivbestände
zur albanischen Geschichte unter anderem in Wien, Rom, Neapel,
Palermo, Cosenza, Mantua, Turin, Parma, Florenz, Simancas
und Bukarest gesichtet und Mikrofilme für die Quellendokumentationen
des Instituts anfertigen lassen. Parallel zum intensiven
direkten Austausch mit albanischen und internationalen Fachkollegen
baute er enge Kontakte zu albanologischen Forschungseinrichtungen
aus, darunter die Universität und die Nationalbibliothek
in Tirana, das Pädagogische Institut (heute Universität)
in Shkodër, die Universität Prishtina/Priština,
das „Centro Internazionale di Studi Albanesi“
in Palermo und das „Istituto di Studi Albanesi“
der Universität Rom. Wissenschaftler aus albanischen,
italienischen, jugoslawischen, amerikanischen und weiteren
Forschungseinrichtungen besuchten das Institut in München
und nutzten dessen Bibliotheksbestände.
Als Bartl 2004 an der Universität München emeritiert
wurde, war das weitere Schicksal seines wissenschaftlichen
Lebenswerkes, des Albanien-Instituts und seiner Bibliothek,
zunächst ungewiss. Schließlich entschieden sich
die Vereinsmitglieder am 28. Februar 2005, die Bestände
des Instituts als Dauerleihgabe der Universität Wien
zu übertragen. Peter Bartl bleibt dem Institut durch
seine weitere Mitgliedschaft und die Herausgabe der „Albanischen
Forschungen“ eng verbunden. Der neue Institutsvorstand
wird von Konrad Clewing vom Südost-Institut Regensburg
und von Oliver Jens Schmitt von der Universität Wien
gebildet. Die Bibliothek als Kernstück der Instituts-Aktivitäten
hat durch eine Förderung der Universitätsbibliothek
Wien für den Umzug und die Weiterführung der Bibliothek
eine gesicherte und erweiterte Basis erhalten. Durch die
Digitalisierung des Kataloges ist der Bibliotheksbestand
für das Wiener wie auch für das internationale
Publikum besser zugänglich als früher.
Die
Bibliothek des Albanien-Instituts verdankt ihr Wachstum
derzeit ganz überwiegend Buchschenkungen. Unter den
wichtigsten Donatoren sind zu nennen: an Institutionen Akademie
der Wissenschaften von Albanien, die Akademie der Wissenschaften
und Künste von Kosova sowie die Makedonische Akademie
der Wissenschaften. Folgenden Privatpersonen schuldet die
Bibliothek besonderen Dank: Dr. Michael Schmidt-Neke (Kiel),
Dr. Robert Elsie (Olzheim) und Mag. Mirela Shira (Wien).
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